BMC URS ONE Testbericht

Nach einer längeren Sommerpause geht es wieder weiter mit den Testberichten. Heute zu dem Rad, welches mich die letzten 1,5 Jahre und auf zahlreichen Touren und Ausfahrten begleitet hat, das BMC URS ONE.

Technischen Daten:

  • Preis: 2999 CHF (Ich habe es im April 2021 noch für 2799 CHF bekommen), in anderen Varianten (LT oder mit integrierten Redshift Vorbau) bis zu 11499 CHF

  • Gewicht: das BMC URS One startet bei leichten 9.2kg und endet bei ca. 8kg in der Topausstattung

  • Rahmenmaterial Carbon, Reifenfreiheit 42mm offiziell (45mm inoffiziell)

BMC URS with Rudy Fork

Mein BMC Urs in seiner vollen Blüte

Wie bin ich damals zu dem Rad gekommen? Ich habe mitten in der Pandemie bzw. Lockdown begonnen zu radeln. Ich bin damals ohne großes Vorwissen in einen lokalen Bikeshop gegangen und habe mich beraten lassen. Hochmotiviert und mit leichterem Geldbeutel bin ich mit meinem ersten Gravelbike aus dem Laden gekommen, ein Trek ALR 5. Ich habe das Rad dann ein paar Monate benutzt und so hat mich das Radeln und vor allem das Graveln immer wieder in den Sattel gebracht. Leider hatte ich aber im Februar 2021 einen Unfall mit Tramschienen, bei dem mein Rad doch ziemlich arg gelitten hat und quasi ein Totalschaden war. Da mein Trek versichert war, stand ich wieder am Startpunkt. Mein Vorteil war, dass ich aber mittlerweile schon ein paar mehr Erfahrungen mit Graveln hatte und dadurch ein Rad suchen konnte, welches etwas besser für mich persönlich passt. Somit hat meine Suche damals gestartet. Was war mir wichtig? Reifenfreiheit von min 42mm Reifen, eine deutlich längere Geometrie (mehr MTB als Rennrad), Carbonrahmen und falls möglich mit Federungs- oder dämpfenden Komponenten. Zu dieser Zeit hatte die Bikebranche aber ihren ziemlichen Höhepunkt erreicht was Verfügbarkeit von Rädern anging. Es war quasi nichts erhältlich, was ich für mich persönlich passend befand. Darum habe ich mich mal etwas in der Umgebung umgeschaut. Ich wohne in Bern, das ist quasi 20 Minuten vom BMC Hauptsitz entfernt und von daher waren die Modelle vom URS in der Umgebung auch etwas besser verfügbar. Nach einer Probefahrt beider Größen habe ich mich dann für die Größe M entschieden. Wie sehr das Rad meine Anforderungen erfüllt hat und wie schlussendlich über das URS denke … dazu später mehr.

Geometrie

Bei der Geometrie entscheidet sich im Allgemeinen erstmal, wie sich das Rad fährt. Sitze ich auf einer sportlichen Rennmaschine oder auf einem entspannten, aufrechten Tourenrad. Bei Gravelbikes kann man grob sagen, dass es zwei Herangehensweisen an dieses Thema gibt. Da sind einmal die Räder, die von Ihrer DNA eher klassischen sportlichen Rennrädern gleichen, aber auch die, die grundsätzlich eher aus dem Mountainbike DNA-Pool schöpfen. Das URS geht hier einen interessanten Weg. Die Geometrie ist deutlich eher am Mountainbike als am Rennrad. Gleichzeitig ist die Reifenfreiheit aber etwas limitiert mit offiziell 42mm WAM (wide as measured, persönlich bin ich 45mm ohne Probleme gefahren). Aber was bedeutet näher am Mountainbike? Das URS besitzt einen deutlich längeren Radstand (gemessen wird die Länge vom Kontaktpunkt HR zu VR) und einen flacheren Lenkwinkel. Was bedeuten diese Buzzwörter? Das URS ist mit seiner Geometrie hervorragend für sicheres Fahren im technischen Gelände und vor allem in Abfahren sehr stark. Der flache Lenkwinkel (70 Grad) sorgt dafür, dass die Lenkung etwas “träger” ist und das Rad vorne nicht nervös wird und sehr spurtreu ist. Ein kleiner Nachteil hiervon ist das Kippeln vom Vorderrad. Wenn man einen Anstieg sehr langsam fährt, kann es vorkommen, dass das Vorderrad etwas zu “wandern” beginnt, das bedeutet, dass es sich etwas so anfühlt als würde das Rad immer etwas von alleine nach links und rechts fahren. Dieses Phänomen ist aber auch durch die dünneren Reifen nicht wirklich schlimm so wie man es etwa von einem klassischen Mountainbike kennt. Die generelle Position ist durch die Geometrie doch eher sportlich mit einem Stack zu Reach Verhältnis von 1,37 (desto tiefer dieser Wert desto aggressiver und gestreckter ist eure Position. Mein aktuelles Rad hat einen Wert von 1,59 und ist deutlich entspannter und aufrechter von der Sitzposition) Ich musste mich hierran erstmal gewöhnen, da ich zuvor eher immer aufrechtere Räder gefahren bin.

 
Bmc Urs One Testbericht

Lieber Singeltrail links oder Waldautobahn rechts?

Beides ist mit dem BMC URS kein Problem

 

Ausstattung

Das Rad kam aus dem Werk mit einer 1x11 Schaltung (Sram Apex) mit hydraulischen Scheibenbremsen (VR 180/HR160) und einem guten & günstigen Laufradsatz (DT Swiss 1850 Felge/DT Swiss 370 Nabe), einem WTB Sattel und leider auch WTB Reifen. Generell ist es bis auf die Reifen ein stimmiges Paket als Startpunkt. Die Übersetzung von 40t und hinten 11-42t ist erstmal in Ordnung für den Anfang. Man muss sich auch bewusst sein, dass es hier keine richtige Antwort gibt, da jemand, der das Rad in Hamburg fährt sicherlich nicht die gleiche Übersetzung wie jemand hier in Bern oder z.B. im Allgäu braucht. Das Highlight für mich sind die 180er Bremsscheiben gewesen. In der Kombination mit hydraulischen Scheibenbremsen erzeugt dies wirklich ein hohes Sicherheitsgefühl wenn man unterwegs ist. Ein weiteres Highlight am URS Rahmen ist das MTT System. Ursprünglich kommt diese Technik von BMCs Hardtails, aber macht natürlich auch an einem Gravelbike Sinn. Das Prinzip dahinter ist, dass das Hinterrad mit dem restlichen Rahmen durch einen Elastomer verbunden ist (Veranschaulichung) und damit Schläge im hinteren Bereich abfangen kann und Tatsache, das funktioniert sehr gut. Gegenüber einer regulären Konstruktion werden hier die Spitzen deutlich genommen, ich hätte mir persönlich aber gewünscht, dass hier etwas mehr Federweg als 10mm verbaut wird um die schmaleren Reifen auszugleichen.

Ich persönlich habe mein URS quasi komplett mit neuen Teilen ausgestattet. Nicht weil es notwendig war, sondern weil ich in manchen Bereichen wie z.B. Komfort einfach noch aufwerten wollte.

Vorallem im Vorderberreich finde ich gibt es gute Möglichkeiten hier etwas herauszuholen. Das Rad ist von den Dimensionen her so ausgelegt, dass man die Gabel sehr einfach gegen z.B. eine Rockshox Rudy Federgabel austauschen kann. In der günstigen Version kann man auch den Vorbau einfach zu einem Redshift Vorbau ändern.

Mit 2799 CHF ist das Preis-Leistungs Verhältnis für mich noch in Ordnung gewesen. Zum Vergleich, die klassischen Preisknaller von Canyon/Rose waren etwa bei ähnlicher Ausstattung um ca. 500 CHF günstiger. Dieses Jahr ist das Rad in der günstigsten Variante nochmal 200 CHF teurer geworden dank Bikeboom und erschwerter Beschaffung von Teilen.

Für wen ist das BMC URS das richtige Bike? Und für wen nicht?

Wie gesagt hat mich das URS über 1,5 Jahre bei allen meinen Abenteuern begleitet. Ob abendliche Afterwork Runde, große Sonntagsausfahrt oder auch Bikepacking durch Italien. Das URS eignet sich durch seine Geometrie am besten für jemanden der viel Zeit im Wald oder auf gröberen Schotter verbringt. Auch für jemanden der vom MTB kommt, könnte das URS ein guter Start sein, da die Geometrie keine komplett andere Welt ist. Eher nicht eignet sich das jemanden, der selber lieber eine entspannte Position auf dem Rad will oder einen Großteil seiner Zeit auf der Straße oder nur sehr leichten Schotter verbringt. Hier kann das Rad seine Stärken nicht so auspielen.

Gravel

Das URS fühlt sich am besten auf Schotterstraßen oder im Wald an

Gravel

BMC URS 2.0?

Generell ist das Konzept hinter dem URS stimmig. Sportliche Geometrie mit MTB-Genen und gleichzeitig bereits verbauten Federungskomponenten. Aber für die nächste Variante, an der BMC bestimmt schon längstens tüftelt, gibt es noch deutlich Luft nach oben. Angefangen mit dem Reifenfreiheit. Offiziell ist der Rahmen für 42c, freigegeben obwohl 45c mit genug Raum passt. Für diese Art von Gravelbike ist es aber einfach zu wenig. 2.0 oder 2.1 Reifen sollten in der nächsten Iteration schon drinnen sein, auch um das Bike etwas fitter für Trails zu machen. Die Geometrie ist es bereits also wäre eine passende Reifenfreiheit hilfreich. Persönlich würde ich gerne Freiheit bis 2.25 Reifen sehen um Rädern wie dem Salsa Cutthroat eine würdige Konkurrenz zu bieten. Dieser Markt von Highlevel Dropbar-Mountainbikes ist nämlich noch nicht stark besetzt. Auch das MTT System könnte noch etwas aufgepusht werden, etwa auf 30mm. Vorne denke ich sollte die Redshift MTT Variante erhalten bleiben. Sie funktioniert gut und addiert keine zu starke Komplexität in das System.

Positiv

Die Geometrie macht im Gelände wirklich Spaß und gibt auch viel Sicherheit in etwas technischeren Gelände

Das MTT System nimmt wirklich bereits die Spitzen und trägt zu einem guten Komfort bei

Die Rückseite ist mit der D-geförmten Sattelstütze wirklich sehr bequem

Neutral

Ist nicht das preiswerteste Gravelbike auf dem Markt

Die Ausstattung ist zumindest bei dem Apex/Rival Modell nicht mehr ganz zeitgemäss

Der Komfort vorne ist im Vergleich zu hinten etwas schlechter, lässt sich aber einfach durch Redshift Vorbau ausgleichen

Negativ

Die Reifenfreiheit ist für die Geometrie etwas zu wenig. Das Rad schreit förmlich danach mit einem 2.1 Zoll Reifen gefahren zu werden

Das Anbringen von Schutzblechen kann sich als schwierig erweisen, da die Bohrungen hierfür etwas unpassend am Rahmen angebracht sind. (Ist aber möglich)

Fazit

Das BMC URS ist für mich definitiv ein Treffer in Sachen Gravelbike. Es ist sicher nicht das günstigste, aber es lässt sich streiten, ob es nicht das Spassigste ist. Die Geometrie hilft auch Anfängern, technisches Gelände oder groben Schotter gut und vor allem sicher zu fahren. Auch zum Bikepacking eignet es sich super. Wenn man ein Gravelbike sucht, welches etwas näher am Mountainbike ist als am Rennrad, ist hier wirklich gut bedient. Es könnte sich aber auch lohnen, auf die V2 setzen, die sicher nicht mehr lange auf sich warten lässt.



Ich würde mich freuen das Rad noch in anderen Konfigurationen zu fahren, sei es in der LT oder in der Redshift/MTT Version. Vielleicht klappt das ja in der Zukunft.

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Progressus, mein aktuelles Gravelbike

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Federung am Gravelbike? Nötig oder unnötig?