Federung am Gravelbike? Nötig oder unnötig?

Wir haben uns ins den letzten Wochen und Beiträgen bereits mit sehr vielen Federungskomponenten wie z.B. dem Redshift Shockstop und der neuen Gravelgabel Rockshox Rudy beschäftigt und rausgefunden, dass diese große Vorteile haben, aber definitiv nicht ohne Nachteile oder große Ausgaben kommen. Braucht man solche Komponenten überhaupt am Gravelbike oder ist das sowieso überflüssig und wer sowas möchte sollte sich eher dem Mountainbike zuwenden? Gerne gebe ich euch unten meine Meinung und Überlegungen zu dem Thema mit.

Federung Am Gravelbike? Nötig Oder Unnötig?

An meinem Urs ist so ziemlich alles verbaut, was man an Federungskomponenten so bekommen kann. Hinten, das MTT System was von Werk aus kommt. Bei der Sattelstütze dann der Cane Creek eeSilk+ und vorne die Gravelgabel von Rockshox

Die Disskussion ob man solche Komponenten braucht ist recht polarisierend. Da gibt es Leute, die Gravelbikes eh direkt verteufeln und als Marketing-, Hipsterbike abstellen und einem direkt zum Mountainbike verweisen, wenn das Rad ins Gelände soll. Dann gibt es aber auch das genaue Gegenteil, die ein Gravelbike als Mittelstufe zwischen dem Endurance-Rennrad und dem Hardtail-Mountainbike sehen und sich über gewisse dämpfende Komponenten freuen und sich sogar mehr davon wünschen. Es scheitert hier schon daran zu definieren was ein Gravelbike wirklich ist. Einfach nur ein Rennrad mit größeren Reifen? Ein abgespecktes Mountainbike? Man sieht schon, man kommt hier auf keinen gemeinsamen Nenner. Von daher ist es hier auch schwierig zu entscheiden auf welche Quelle, Influencer oder Zeitschrift man hören soll. Ich versuche von daher mal meine Herangehensweise zu erläutern und für welche Geländetypen ich welche Komponente wählen könnte, denn ich kann schon Mal vorausnehmen, nicht jeder braucht eine Gravelgabel und eine Federsattelstütze.

Für mich hat das Thema mit diesen Komponenten damals begonnen als ich durch ein schlecht eingestelltes Rad (falscher Sattel, falsche Sattelhöhe und Neigung, sowie falsche Vorbaulänge) versucht habe diese Defizite mit speziellen Komponenten auszugleichen. Mir war damals nicht bewusst, wie sehr diese obengenannten falschen Einstellungen sich auf den Komfort auswirken. Als kompletter Neuling im Radbereich dachte ich mir so: ”Das gehört schon so, ist ja kein vollgefedertes Mountainbike”. War natürlich sehr naiv, aber irgendwo beginnt jeder. Nachdem ich gemerkt hatte, dass die Komponenten wie ein gefederter Vorbau und Sattelstütze zwar eine deutliche Wirkung haben, aber mein Hauptproblem eher die Grundeinstellung war, habe ich öfters darüber nachgedacht ob mein Setup nicht mittlerweile Overkill war. Sozusagen der SUV in einer Großstadt. Von da an habe ich eigentlich jedes Wochenende eine andere Konfiguration getestet. Mal ohne Federsattelstütze, mal ohne Federung vorne, mal kleinere Reifen und mal größere etc. Von daher möchte ich mal in den unteren Beispielen erläutern, was ich für die gezeigten Untergründe empfehlen würde um das maximale an Spaß, aber auch das nötige an Komfort und Sicherheit rauszuholen.

Noch ein letztes Vorwort. Ich definiere Spaß beim Radeln für mich mit einem Grinsen im Gesicht, wenn es mal etwas wilder auf Schotterpassagen zugeht und man aber heil unten ankommt (#Underbiking) oder z.B. einfach neue Gegenden komfortabel entdecken kann. Ich muss nicht der schnellste sein und keine Rennen fahren, von daher sind meine Empfehlungen auch in diese Richtung geprägt und natürlich auch durch die Umgebung in der ich wohne (Allgäu und das Berner Oberland).

Mein URS im Bikepacking Modus: es ist eigentlich egal ob 2h, 5h oder 10h, mit einem gut eingestellten Bike sollten solche Zeiten im Sattel gut möglich sein.

Die erste Empfehlung für jeden Untergrund ist ein guter Bikefit und ein richtiger Sattel. Wie ich bereits im Bericht zum SQ LAB 612 Ergowave geschrieben habe, ist dieser Punkt von essenzieller Wichtigkeit dafür, wieviel Spaß ihr mit eurem Gravelbike haben werdet. Ein schlecht eingestelltes 10.000€ Rad wird euch nicht glücklich machen, wenn es nicht auf euch persönlich eingestellt ist. Und da jeder Arsch anders ist, muss dazu auch der Sattel passen. Es ist hier auch erstmal egal ob ein 30€ Sattel vom einem alten Bike oder ein 250€ Hightech Sattel, passen muss er. Auch wenn hier die, je nach dem wo man schaut, Preise von 100-250€ erstmal sehr abschreckend wirken. Ich verstehe das, das ist sehr viel Geld. Aber seht es einfach so, dass dies quasi zum Grundpreis des Bikes dazugehört. So nun schauen wir uns aber mal den ersten Geländetyp an, der einem so auf dem Gravelbike begegnet.

Geländetypen, vom Landweg zu Schotter Deluxe

Landstraße

Der klassische Landweg, wie man ihn auf dem Land kennt und liebt

Der erste Geländetyp ist wahrscheinlich jedem nur allzu gut bekannt, der klassische Landweg. Der hat zwar technisch gesehen nichts mit Gravel zu tun, aber wir sind hier eben im gut ausgebauten Europa und nicht in den endlosen Weiten Utahs. Diese Wege sind meistens ein Großteil meiner Strecken, nicht weil ich eigentlich im Geheimen ein Rennradler bin, sondern weil diese Wege meistens die Schotterpassagen miteinander verbinden. Hier kann man gemütlich radeln und muss sich eigentlich maximal mit Trekkern und anderen Radlern den Weg teilen. Braucht man hier irgendwelche Komponenten, die federn? Meiner Meinung nach nein. Ein federnder Vorbau ist zwar eine feine Sache, aber für diese Wege absolut nicht nötig. Hier braucht es nur eins und zwar: qualitativ gute Reifen mit einer gewissen Größe und einen gut abgestimmten Luftdruck um die minimalen Vibrationen durch die verschiedenen Beläge und kleinen Steine aufzufangen. Um den richtigen Luftdruck zu finden, gibt es diverse gute Startpunkte. (Rene Herse,Silca oder SRAM) In der Realität ist dieser deutlich geringer als die meisten vermuten. Hier ist also etwas Erfahrung sammeln angesagt um die persönliche Einstellung zu finden.

Empfehlung: Hochwertige Reifen ab 40c und der passende Druck

Die Waldautobahn

Die Schotterstraße

Der zweite Geländetyp ist natürlich unser Hauptdarsteller und wahrscheinlich der Grund, warum man sich ein Gravelbike kauft: die Waldautobahn und die Schotterstraße. Hier im Allgäu kann man beides im ziemlichen Überfluss finden und bildet mit der Landstraße eigentlich 90% der Strecke ab. Hier kommen schon deutlich mehr Vibrationen bei den Händen und Hintern an und ab und zu mag es auch einen größeren Stein geben, den man aus Versehen mitnimmt oder einfach übersieht. Hier spielt der gefederte Vorbau sein volles Potential aus. Die Vibrationen werden großteils weggebügelt, man muss aber immer noch aufpassen, da nur der Fahrer gefedert wird und daher kein Mehr an Traktion entsteht. Hier sind größere Reifen ab 40c wünschenswert, aber trotzdem ist dies bereits das Terrain, in dem ich einen gefederten Vorbau empfehlen kann. Er ist zwar nicht zwingenderweise nötig, aber wer mehrere Stunden über solche Strecken heizt oder einfach empfindliche Hände hat, kann hier doch auch schnell ein unangenehmes Gefühl oder sogar taube Finger bekommen. Mit dem Vorbau umgeht man das ganze Thema und ich denke hier ist die Investition gerechtfertigt.

Empfehlung: Gefederter Vorbau und/Oder Reifen in 45c

Schotterpiste Deluxe

Schotter Deluxe und darüber hinaus

In diesem Geländetyp fühle ich mich persönlich am liebsten. Das Bild oben ist für mich der Beginn von Schotter Deluxe. Gröbere Steine als auf dem regulären Schotterweg sorgen dafür, dass man hier aktiv auf seine Fahrlinie achten muss um nicht aus Versehen grobe Schläge oder gröbere Steine abzubekommen, die einen im schlimmsten Fall auch vom Rad bringen können. Hier geht es neben dem Komfort auch um das Thema Traktion. Um diese zu erhöhen ist hier ein Ticken niedrigerer Luftdruck also normal zu empfehlen. Somit kann der Reifen auch wirklich eine möglichst große Kontaktfläche bilden und so viel Halt erzeugen wie nur möglich. Aber Achtung, zu niedrig ist auch nicht gut, da ihr sonst das Risiko eingeht, dass gröbere Einschläge bis zur Felge durchkommen. Bei Aluminium ist das eventuell zu verkraften, aber eine Carbonfelge sollte vor so etwas doch auf jeden Fall geschützt werden. Hilfreich ist es hier auch tubeless unterwegs zu sein, denn bei zu niedrigem Druck im Schlauch, führt dies auch sehr schnell und sicher zu einem Platten. In diesem Gelände sind Reifen in der Größe 45-50c wünschenswert. Ein gefederter Vorbau ist hier ebenfalls sehr hilfreich um den Komfort zu erhöhen. Genau für dieses Gelände (und schlimmer) sind aber die modernen Gravelfedergabeln wie z.B. die Rockshox Rudy entwickelt worden. Neben dem Komfort kommt hier auch noch der Gewinn von Traktion dazu. Man kann eine deutlich entspanntere Linie fahren, da die Gabel den Reifen doch gut am Boden behält. Damit steigt die Traktion und auch das Sicherheitsgefühl enorm. Wer einen Großteil seiner Strecken auf diesem Untergrund verbringt, sollte sich eine Gravelgabel mal anschauen.

Empfehlung: Gravelgabel und/Oder Reifen 45c+

 

Mit diesen Empfehlungen solltet ihr eigentlich überall komfortabel und sicher unterwegs sein. Wie gesagt ist das eine Empfehlung aus der Sicht eines Radlers, der während Corona begonnen hat wirklich aktiv zu fahren. Die, die doch deutlich erfahrener sind, sind vielleicht auch auf Schotter Deluxe nur mit 40c Reifen unterwegs und kommen auch klar. Ich möchte hier nochmals betonen, dass es keine objektiv richtige Aussage gibt, sondern eben nur Empfehlungen. Was man daraus macht, ist dann eigene Sache.

Welcher gefederte Vorbau?

Da ich ja oben oft von gefederten Vorbauten gesprochen habe, ist ja auch offensichtlich ein Vergleich vom Redshift Shockstop und dem Vecnum freeQENCE notwendig. Meine Meinung dazu ist, wenn der Preis für euch die primäre Rolle spielt und ihr euch gar nicht so sicher seid ob ihr sowas wirklich braucht, greift zu dem Shockstop von Redshift. Dieser ist in der Anschaffung günstiger und kann meiner Erfahrung nach auch immer fix wieder verkauft werden. Wenn ihr euch aber sicher seid, dass ihr einen gefederten Vorbau längerfristig an eurem Gravelbike haben möchtet, dem kann ich nur den freeQENCE von Vecnum empfehlen. Der Premium Preis kommt auch mit einer Premium Leistung. Er ist meiner Meinung nach spürbar besser in seiner Funktion als der Shockstop und er Vorbau wird lokal im Allgäu produziert.

Ich hoffe der Beitrag hilft dem einen oder dem anderen bei der Entscheidungsfindung. Nächste Woche beschäftigen wir uns mit dem Tailfin Aeropack oder dem kLite ULTRA Licht. Gerne kommentieren was ihr als nächstes lesen wollt.

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Vecnum freeqence Testbericht