Testbericht: Vittoria Mezcal III TNT G2.0 – Ein Reifen für alle Fälle?
Wenn man viel auf Schotterwegen und Trails unterwegs ist, steht man früher oder später vor einer entscheidenden Frage: Welche Reifen können eigentlich alles? Genau dafür scheint der Vittoria Mezcal III TNT G2.0 geschaffen zu sein.
Ich wollte den Mezcal unbedingt selbst testen, weil er mir über die letzten Jahre immer wieder empfohlen wurde – nicht nur von anderen Bikepackern, sondern auch von Profis und Ultra-Racern, die täglich viele Stunden im Sattel sitzen. Der Mezcal gilt als echter Dauerläufer, der problemlos 15.000 bis 20.000 Kilometer halten soll. Gleichzeitig bietet er laut vieler Erfahrungsberichte einen erstaunlich guten Pannenschutz und rollt – zumindest bei trockenen Bedingungen – immer noch relativ leicht. Klar, er ist nicht der schnellste Reifen am Markt, aber genau diese Mischung aus Zuverlässigkeit, Haltbarkeit und ausreichend Speed hat mein Interesse geweckt.
Grund genug für mich, ihn ausführlich zu testen und herauszufinden, ob dieser Reifen hält, was er verspricht.
Technische Daten:
Gewicht: ca. 780 g (29x2.25, gemessen)
120 TPI Karkasse
4C Graphene 2.0 Mischung
Tubeless ready (TNT)
Der Reifen hat bei mir auf einer Felge mit 25 mm Maulweite satte 58 mm Breite aufgebaut – das ist ordentlich Volumen und erklärt auch den hohen Fahrkomfort auf grobem Terrain.
Erster Eindruck und Montage
Wenn du zum ersten Mal einen Tubeless-Reifen montierst: Der Mezcal ist ein dankbarer Kandidat. Er sitzt sauber auf der Felge, dichtet schnell ab und braucht weder Kompressor noch Flucherei. Gerade für Einsteiger:innen ins Tubeless-Thema ist das ein echter Pluspunkt.
Beim Auspacken war ich zuerst überrascht: Der Mezcal ist kein Leichtgewicht. In der getesteten Größe (29x2.25) bringt er rund 780 Gramm auf die Waage – also spürbar mehr als viele andere XC- oder Gravel-Reifen. Und das merkt man auch beim Handling des nackten Reifens: Die Seitenwände sind relativ steif, das gesamte Gehäuse wirkt sehr stabil. Ich hatte stellenweise das Gefühl, man könnte ihn fast hinstellen, ohne dass er sich zusammenfaltet. Das ist erstmal weder positiv noch negativ, aber auf jeden Fall auffällig.
Dafür ging die Montage absolut problemlos über die Bühne: Der Reifen ließ sich leicht aufziehen, saß sauber auf der Felge und ließ sich ganz unkompliziert mit einer normalen Standpumpe auf Tubeless-Druck bringen. Auch beim Abdichten mit Dichtmilch gab es keinerlei Probleme – so wünscht man sich das. Ich habe wie immer meine Dichtmilch des Vertrauens verwendet: Orange Seal. Und ich muss sagen – das hat richtig gut funktioniert. Der Reifen hat seinen Druck wirklich sehr, sehr lange gehalten, ohne spürbar Luft zu verlieren. Das ist mir direkt positiv aufgefallen und spricht für eine sehr dichte Karkasse und saubere Verarbeitung.
Fahrverhalten: Schnell auf hartem Untergrund – aber nicht überall
Die Stärke des Mezcal zeigt sich eindeutig auf trockenem, festem Untergrund: Er rollt angenehm flott, vermittelt Sicherheit und fühlt sich auf Waldwegen, Schotter und festem Boden richtig wohl. Die kleinen, eng angeordneten Mittelstollen sorgen für geringen Rollwiderstand, und die ausgeprägten Seitenstollen greifen in Kurven zuverlässig. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, zu wenig Grip zu haben – weder auf losem Schotter, noch auf Waldboden. Insgesamt fühlte sich das Fahrverhalten sehr berechenbar und kontrolliert an, und auch längere Etappen ließen sich damit entspannt fahren. Besonders in Kombination mit dem etwas größeren Volumen der 2,25-Zoll-Variante war das Komfortniveau durchweg hoch.
Auf einem Bikepacking Trip durchs Piemont
Wo der Mezcal jedoch weniger überzeugt hat, war auf Asphalt. Es ist nicht so, dass er zur lahmen Ente mutiert – aber der Unterschied ist spürbar. Gerade auf längeren Asphaltpassagen wirkt der Reifen deutlich träger als ein klassischer Gravelreifen mit 40–45 mm Breite. Das höhere Gewicht und die breitere Bauform machen sich hier bemerkbar. Bei einem Bikepacking-Trip durch Italien hatten wir durch eine Umplanung ein, zwei Tage fast ausschließlich Asphalt unter den Reifen – und da habe ich den Unterschied zu meinem Kollegen, der mit klassischen 45-mm-Gravelreifen unterwegs war, sehr deutlich gespürt. Er war einfach schneller unterwegs und hatte spürbar weniger Mühe.
Für reine Schottertouren oder gemischtes Terrain bleibt der Mezcal aber dennoch ein starker Reifen – nur wer weiß, dass er viele Kilometer am Stück auf Asphalt fahren wird, sollte sich überlegen, ob ein schmalerer, schnellerer Reifen nicht sinnvoller ist.
Performance bei wechselnden Bedingungen
Bei feuchteren Bedingungen zeigt sich ein gemischteres Bild. Auf leicht feuchtem Untergrund funktioniert der Mezcal weiterhin gut, sowohl was Grip als auch Kontrolle betrifft. Sobald es aber wirklich nass oder schlammig wird, stößt der Reifen an seine Grenzen. Die kleinen Stollen setzen sich schnell mit Matsch zu, was zu weniger Traktion und einem spürbar unsicheren Fahrgefühl führt.
Auch auf nassem Asphalt merkt man, dass das nicht das bevorzugte Terrain des Mezcal ist. Ich hatte bei ein, zwei Gelegenheiten auf nasser Straße, etwa auf Gullydeckeln oder Straßenmarkierungen, das Gefühl, leicht wegzurutschen. Nichts Dramatisches – aber man merkt eben, dass das nicht seine Komfortzone ist. Wenn man das weiß und entsprechend vorsichtig fährt, ist es okay, aber es ist definitiv nicht seine Stärke.
Pannenschutz und Langlebigkeit
Während meines Tests, der über rund 800 Kilometer gemischtes Terrain führte, hatte ich keinerlei Probleme mit Durchstichen oder Schnitten – trotz teilweise rauer Trails und scharfkantigem Schotter. Die TNT-verstärkten Seitenwände leisten hier offenbar exzellente Arbeit und vermitteln auf langen Touren ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit.
Besonders beeindruckt hat mich aber die Haltbarkeit: Ich bin den Reifen inzwischen das ganze letzte Jahr gefahren und habe aktuell rund 4.000 km auf dem Mezcal – und er sieht immer noch fast aus wie neu. Teilweise sind sogar noch die kleinen Gummihärchen vorhanden, die man normalerweise nur direkt nach dem Auspacken sieht. Es ist tatsächlich kaum eine Abnutzung festzustellen. Die Haltbarkeit ist wirklich extrem. Wenn andere sagen, der Reifen hält 15.000 bis 20.000 km – das würde ich ihm absolut zutrauen.
Das erklärt natürlich auch das etwas höhere Gewicht: Der Mezcal bringt ordentlich Material mit – aber das zahlt sich eben in Form von langer Lebensdauer und Sicherheit aus. Für alle, die einen Reifen suchen, der sich auch finanziell auf Dauer lohnt, der auf große Touren mitgenommen werden kann und bei dem man nicht ständig über Durchstiche oder Verschleiß nachdenken will, ist der Mezcal ein echtes Arbeitstier. Wer einfach auf Nummer sicher gehen will – ob im Alltag oder auf großen Touren – bekommt hier ein echtes Sicherheitsversprechen mitgeliefert.
Für wen ist der Vittoria Mezcal ideal?
Der Vittoria Mezcal III TNT G2.0 ist der ideale Reifen für Fahrerinnen und Fahrer, die hauptsächlich auf schnellen, trockenen und gemischten Gravel- und XC-Strecken unterwegs sind. Auch auf dem Gravelbike ist er gut aufgehoben – gerade wenn man auf gröberem Terrain unterwegs ist, mehr Volumen möchte oder einfach einen pannensicheren Reifen sucht. Den Mezcal gibt es in unterschiedlichen Breiten, darunter auch 45 mm (700C), 2,25 Zoll und sogar 2,6 Zoll – da ist für viele Setups etwas dabei.
Auch im MTB-Bereich ist der Reifen absolut zuhause. Wer vorne etwas mehr Grip sucht, kann den Mezcal hinten mit einem Vittoria Barzo vorne kombinieren – eine Kombi, die man online sehr häufig sieht und die laut Community ziemlich gut funktioniert. Ich habe den Barzo selbst (noch) nicht getestet, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er in Sachen Grip vorne nochmal eine Schippe drauflegt.
Vergleich: Vittoria Mezcal vs. Schwalbe Overland vs. Schwalbe G-One RX Pro
Der Vergleich zwischen diesen drei Reifen liegt natürlich auf der Hand: Alle sind für den Offroad-Einsatz gedacht und haben ein mittleres Profil – also weder besonders grobstollig, noch ultraflach. Sie bilden damit eine ähnliche Nische zwischen Grip und Geschwindigkeit.
Der Schwalbe Overland ist der günstigste der drei Reifen. Er bietet ein unauffällig gutes Gesamtpaket und ist vor allem in der Variante Overland 365 nochmal robuster, mit besserem Grip bei kälteren Temperaturen und verbessertem Pannenschutz. Für viele Alltagsfahrer oder Bikepacker ist der Overland ein sehr solider Reifen ohne große Schwächen.
Der Vittoria Mezcal dagegen spielt seine Stärken vor allem bei langen Distanzen aus. Wer zum Beispiel Events wie die Tour Divide oder Silk Road fährt – also Rennen mit mehreren Tausend Kilometern – wird den Mezcal als zuverlässigen, nahezu unkaputtbaren Partner schätzen. Klar, man nimmt etwas mehr Gewicht in Kauf, aber dafür hat man einen Reifen, der einfach durchhält.
Der Schwalbe G-One RX Pro, über den ich ebenfalls schon einen ausführlichen Beitrag geschrieben habe, ist ganz klar der sportlichste der drei. Er ist deutlich schneller auf Asphalt und eignet sich deshalb besonders gut für alle, die auch auf der Straße flott unterwegs sein wollen – wie es in Mitteleuropa ja oft der Fall ist. Die Kehrseite: Er ist weniger langlebig. Die Gummimischung ist weicher, der Verschleiß schneller sichtbar. Kein schlechter Reifen, aber man sollte mit deutlich geringerer Laufleistung rechnen.
Preislich liegt der RX Pro aktuell am höchsten, gefolgt vom Mezcal, dann dem Overland. Mein persönlicher Favorit? Für den Alltag wohl der RX Pro – weil er einfach Spaß macht. Für große Touren, bei denen ich möglichst wenig Risiko eingehen will, würde ich zum Mezcal greifen.
Fazit
Der Vittoria Mezcal III TNT G2.0 ist kein Reifen für maximale Geschwindigkeit – aber definitiv einer für maximale Verlässlichkeit. Er ist ideal für alle, die viele Kilometer abspulen, lange Touren oder Bikepacking-Rennen planen und auf der Suche nach einem Reifen sind, der einfach funktioniert, hält und schützt. Auf trockenen, festen Untergründen überzeugt er mit gutem Rollverhalten, hohem Komfort und solidem Grip. Klar, er ist auf Asphalt spürbar träger und im Schlamm schnell überfordert – aber das ist nicht sein Revier. Wer diese Grenzen kennt und akzeptiert, bekommt mit dem Mezcal einen extrem haltbaren, pannensicheren Reifen, der einen zuverlässig ans Ziel bringt – auch dann, wenn dieses 5.000 Kilometer weit entfernt liegt.
Kurz & Knapp:
Extrem schneller Rollwiderstand auf festem Offroad-Untergrund
Sehr guter Kurvenhalt dank ausgeprägter Seitenstollen
Robuster Pannenschutz und extrem hohe Lebensdauer
Schwächen bei Nässe, Schlamm und nassem Asphalt
Spürbar träger auf längeren Asphaltpassagen