Tailfin AeroPack im Langzeittest – Erfahrungen nach drei Jahren Bikepacking
Hinweis: Dieser Review ist etwas länger geraten – also schnapp dir eine große Tasse Kaffee oder Tee, mach es dir gemütlich und lies in Ruhe.
Warum das AeroPack?
Wer schon mal mit einer Arschrakete unterwegs war, kennt das Drama: Du packst sie randvoll, rollst los – und nach den ersten Kilometern tanzt das Ding wie ein Kuhschwanz. Im Wiegetritt wackelt’s links, rechts, klappert, nervt dich und irgendwann ziehst du die Gurte nach. Zehn Minuten Ruhe, dann geht das Spiel von vorn los. Auf Schotter oder langen Anstiegen kann das einem echt den Nerv ziehen. Gleichzeitig ist ein Gepäckträger mit riesigen Seitentaschen mir zumindest zu viel und auch keine wirklich sportliche Lösung um sein Hab und Gut auf dem Drahtesel mitzufahren.
Genau da hatte ich irgendwann keinen Bock mehr drauf. Ich wollte ein Setup, das einfach funktioniert, aber gleichzeitig auch erlaubt ordentlich Gepäck mitzunehmen. Das Tailfin AeroPack versprach genau das: Tasche bombenfest am Rad, null Wackeln. Und ja – das Versprechen hat’s gehalten. Seitdem gehören meine „tanzenden Satteltaschen“ der Vergangenheit an. Also schauen wir uns das ganze mal etwas genauer an.
Wer ist Tailfin?
Tailfin ist ein britisches Unternehmen aus Bristol, spezialisiert auf hochwertiges Bikepacking-Gear. Der Anspruch: Lösungen bauen, die nicht nur schick aussehen, sondern echten Problemen entgegenwirken. Produziert wird in Taiwan – für Fahrradnerds keine Überraschung, dort kommen viele der hochwertigsten Teile her.
Besonders spannend: Tailfin investiert massiv in R&D. Auf Instagram oder bei Ultrarennen sieht man ständig Fahrer mit Prototypen. Da wird getestet, geschraubt, verbessert – von Leuten, die tagelang im Sattel hocken. Genau das gibt mir das Gefühl: Hier geht’s nicht nur um Produkte, die sich gut verkaufen, sondern um Teile, die draußen in der Realität wirklich funktionieren. Und ganz ehrlich: die Liebe zum Detail merkt man. Kleine Kniffe, clevere Lösungen – das zieht sich wie ein roter Faden durch meine Erfahrung mit dem AeroPack.
Ich habe auch die Leute hinter damals auf der Bespoked 2024 an ihrem Stand getroffen und war echt überrascht wie viel Herzblut in ihren Produkten steckt. “Ältere” Produkte werden falls es Neuerungen gibt auch nicht im Stich gelassen und kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht was ich richtig gut finde.
Mein Gravelbike im Bikepacking-Modus mit kompletter Tailfin Ausstattung
Varianten: AeroPack vs. AP-Rack
Tailfins erstes Produkt kam damals über Kickstarter zur Welt und war das Aeropack eine Lösung die ein Zwitter zwischen Satteltasche und Gepäckträger ist um das oben angesprochene Problem zu lösen. Mittlerweile bietet Tailfin davon grob zwei Setups an:
AeroPack (meine Wahl)
Tasche fest mit zwei Streben verbunden
Befestigung am Rahmen oder über eine Steckachse
vorne zusätzlich an der Sattelstütze fixiert
leicht, clean, stabil
perfekt, wenn die Tasche meist am Rad bleibt (z. B. beim Campen)
AP-Rack + Tasche
klassischer Rack-Style mit zwei horizontalen Streben
Tasche per Schnellverschluss abnehmbar
etwas schwerer, dafür flexibler
praktisch für Leute, die oft ins Hotel einchecken und die Tasche fix abnehmen wollen
Ich hab mich klar für das AeroPack entschieden. Weniger Gewicht, trotzdem super stabil. Die universelle Steckachse passt problemlos, alles sitzt bombenfest. Beide System haben 18L Packvolumen und können mit seitlichen Taschen (5, 10, 16 oder 22l) ergänz werden. Also auch wenn ihr mal richtig viel dabei haben wollt könnt ihr das sorgenlos mit dem Aeropack machen
Montage
Die Montage des AeroPack funktioniert bei beiden Varianten gleich. Oben wird das System mit einem Schnellverschluss an der Sattelstütze befestigt (siehe Bilder). Unten am Rad gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder schraubt man die mitgelieferten Aufnahmen an die Gewindeösen, an denen normalerweise ein Gepäckträger befestigt wird. Oder man ersetzt die eigene Steckachse durch Tailfins universelle Steckachse – dann sind die Aufnahmen direkt an den Achsenden integriert.
Ich habe mich für die zweite Variante entschieden. Dadurch wird das Gewicht viel besser verteilt und lastet nicht nur auf zwei kleinen Schrauben am Rahmen, sondern stabil auf der Achse des Rads.
Das Rack wird anschließend per Schnellverschluss auf die Aufnahmen gesetzt. Beim Schließen ertönt ein beruhigendes Klicken – ein Zeichen dafür, dass alles sicher sitzt. In der Praxis geht das blitzschnell: Ich brauche etwa 30 Sekunden, um das komplette Rack zu montieren und bin dann abfahrbereit.
Verarbeitung und Materialien
Bei Tailfin gilt: Funktion vor Form. Das heißt nicht, dass die Sachen hässlich sind – sie sind schlicht, zurückhaltend und passen optisch an fast jedes Rad. Aber im Fokus steht, dass das Produkt ein echtes Problem löst. Genau so fühlt es sich an.
Mein AeroPack ist jetzt knapp drei Jahre im Einsatz. Voll beladen, unsanft abgestellt, auf den Boden geknallt – es musste einiges mitmachen. Ergebnis: kein Riss, keine undichte Naht, nichts. Die Verarbeitung ist top.
Fun Fact: Beruflich arbeite ich im Bereich Abdichtungen. Das Material, das Tailfin für die Taschen nutzt – Hypalon – verwende ich sonst, um Gebäude dauerhaft wasserdicht zu machen. Ich weiß also, dass das Zeug extrem haltbar ist. Für mich die perfekte Wahl.
Klar, es gibt auch Belastungsberichte von Ultrarennen. Meist betrifft das die Verbindungen zur Sattelstütze, also genau die Punkte mit den größten Kräften. Ab und zu liest man auch von geknickten Gestängen. Aber angesichts der extremen Nutzung bei solchen Events finde ich das erstaunlich selten. Und das Beste: alles ist modular. Bricht mal was, muss man nicht das ganze System tauschen, sondern nur das Teil ersetzen. Nachhaltiger geht kaum.
Das AeroPack ist absolut wasserdicht, zeigt null Materialermüdung und der Klickverschluss rastet zuverlässig ein. Selbst wenn alles staubig ist, reicht ein kurzer Druck und das Ding sitzt.
Praxiserfahrungen
Im Alltag ist das AeroPack eine echte Befreiung. Kein Schwingen, kein Nachziehen von Gurten, einfach fahren. Mit rund 20 Litern Volumen (überpacken geht auch easy) reicht’s locker für mittlere bis lange Touren. Regen, Staub, Schotter – alles egal, mein Kram kam immer trocken an. Unten mal ein paar Bilder wie mein Setup die letzten Jahre über aussah. Ich war immer mehr als zufrieden damit und hatte wirklich null Probleme.
Auch beim Handling punktet es: Klickverschluss ansetzen, drücken, klick, fertig. Zum Abnehmen ein Griff – Tasche mit ins Zelt oder Hotelzimmer, done. Ehrlich gesagt fühlt sich das fast so unkompliziert an wie ein Rucksack.
Natürlich gibt’s auch Dinge, die nicht perfekt sind. Diese seitlichen Reißverschlüsse? Drei Jahre, null Einsätze. Die Rolltop-Riemen rutschen gern, wenn man sie nicht überkreuzt fixiert. Das schwarze Innenfutter frisst jedes bisschen Licht – such da mal nachts deine Stirnlampe. Und ja, die Tasche sitzt hoch, das spürt man im Wiegetritt. Auf sehr kleinen Rahmen (3XS) kann es zudem mit der Geometrie knifflig werden. Ich werde dieses Jahr bei der Bespoked nochmals bei Tailfin fragen ob sie hierfür eine Lösung haben.
Drei Jahre, unzählige Kilometer in Italien, Spanien, Deutschland und der Schweiz. Ich hab mein AeroPack nicht geschont – und es hat immer funktioniert. Einziger Aussetzer: einmal hat sich die Klemme an der Sattelstütze geöffnet. Vermutlich mein Fehler beim Schließen. Sonst? Keine Probleme, keine Ausfälle.
Stärken und Schwächen im Überblick
Stärken:
kein Wackeln, kein Schwingen – auch voll beladen
rund 20 Liter Volumen, auch überpackbar
robust, wasserdicht, langlebig
modular, Ersatzteile und Upgrades verfügbar
Kritikpunkte:
seitliche Reißverschlüsse praktisch überflüssig
Rolltop-Riemen rutschen, wenn man sie nicht überkreuzt
schwarzes Innenfutter = Suchspiel bei wenig Licht
Schwerpunkt sitzt hoch, spürbar im Wiegetritt
bei sehr kleinen Rahmen nicht optimal
Die neue Cargo-Version im Test
Mitte des Jahres kam die Cargo-Version (AP18 Cargo) bei mir an. Im Vergleich zu der Tasche, die ich bis dahin genutzt habe, bringt sie einige sinnvolle Neuerungen mit.
Das Verschlusssystem wurde vereinfacht: Anstatt den Rolltop wie bisher mit mehreren Riemen zu fixieren, faltet man nun einfach das obere Ende der Tasche ein und steckt die Enden zusammen – fertig. Auch die seitlichen Reißverschlüsse sind verschwunden. Stattdessen gibt es jetzt flexible Cargo-Taschen, in die man problemlos alles von einer Jacke bis zu Proviant stopfen kann. Das Material ist erstaunlich dehnbar, ohne dabei auszuleiern – selbst nach intensiver Nutzung sieht alles aus wie am ersten Tag.
Tailfin selbst zieht den Vergleich zu normalen Bibshorts und Cargo-Bibshorts: Beide erfüllen ihren Zweck, aber die Cargo-Version bietet einfach mehr praktische Möglichkeiten. Und ganz ehrlich? Für mich ist die Cargo-Version aktuell ganz klar die bessere Wahl.
Vorteile der Cargo-Version
Ein-Buckle-Verschluss: deutlich einfacher, schließt zuverlässiger
Seitliche Außentaschen: super praktisch, viel besser als die alten Reißverschlüsse
Helles Innenfutter: endlich Überblick, auch bei wenig Licht
Luftventil: komprimieren wird easy
Kompatibel: passt auf bestehende Racks
Meine Einschätzung
Die Cargo-Version räumt fast alle kleinen Kritikpunkte der Standardversion aus. Für mich gibt’s keinen Grund mehr, die alte Variante zu wählen. Tailfin hat angekündigt, dass manche Features auch in andere Taschen einfließen werden – aber Stand jetzt: wer kaufen will, sollte Cargo nehmen.
Ausblick
Klar, leichter könnte die Tasche sein. Aber Gewicht spart man meist nur, wenn Materialstärke und Haltbarkeit leiden. Das verwendete Gewebe ist bombensicher und wasserdicht – da verzichte ich gerne auf 200 Gramm Ersparnis. Für mich ist die Cargo-Version ein echter Fortschritt. Evolution statt Revolution. Mal sehen, was Tailfin als nächstes bringt – vielleicht ja auf der Bespoked in Dresden.
Für wen lohnt sich das AeroPack?
Top für:
Tourenfahrer*innen, die einfach Ruhe wollen beim Fahren
Leute, die ein langlebiges, wartungsarmes Setup suchen
alle, die bereit sind, ein bisschen mehr Geld für Qualität hinzulegen
Weniger passend für:
absolute Gewichtsfetischisten – da gibt’s leichtere, aber wackligere Lösungen
Besitzer*innen von Mini-Rahmen, wo die Streben zu lang sein können
alle, die bewusst auf günstiges Equipment setzen – Tailfin ist einfach kein Budget-Produkt
Gewicht & Preisvergleich
Damit man’s einordnen kann, hier ein kurzer Vergleich:
Tailfin AeroPack Alu: ca. 1.200–1.300 g (Rack + Tasche)
Tailfin AeroPack Carbon: ca. 1.000–1.100 g (Rack + Tasche)
Apidura Backcountry Saddle Pack (17 L): ca. 500–600 g
Ortlieb Quick Rack + 16 L Tasche: ca. 1.300–1.400 g
Heißt: Das AeroPack ist schwerer als eine Arschrakete, aber vergleichbar mit einem kleinen Rack-System. Preislich liegt die Alu-Version bei rund 270–300 €, die Carbon-Version bei ca. 370–400 € (ähnlich in CHF). Nicht billig, aber auch kein Exot mehr.
Preis & Nachhaltigkeit
Ja, Tailfin ist teuer. Aber: dafür kriegst du ein Produkt, das Probleme löst und ewig hält. Supergünstig und superhochwertig geht einfach nicht zusammen. Produktion ist in Taiwan – top Qualität, aber keine lokale Fertigung. Dafür volle Ersatzteilversorgung, modulare Erweiterbarkeit und lange Nutzungsdauer.
Kurz gesagt: der Preis tut erstmal weh, aber unterm Strich lohnt er sich.
Im Vergleich mit anderen Systemen
Ein direkter Vergleich mit anderen Gepäcklösungen – also klassischen Satteltaschen („Arschraketen“), Gepäckträgern oder Systemen von Marken wie Apidura, Ortlieb oder Old Man Mountain – findet hier bewusst nicht statt.
Der Grund: Ich möchte diesen Vergleich im Dezember in einem eigenen Übersichtsartikel veröffentlichen, sobald ich die anderen Systeme ebenfalls ausgiebig getestet habe. So bekommt das Thema den Raum, den es verdient, und ihr habt alle Infos kompakt an einem Ort. Alles hier in einen Text zu packen, würde schnell unübersichtlich werden.
Transparenzhinweis
Das AeroPack habe ich selbst gekauft. Die Cargo-Version wurde mir von Tailfin gestellt. Meine Meinung: komplett unabhängig, basiert nur auf meinen eigenen Erfahrungen.
Fazit
Für mich ist das Tailfin AeroPack kein Mode-Gimmick, sondern ein Tool, das richtig was löst: kein Wackeln, kein Schwingen, stabile Fahrten, wasserdicht und langlebig. Ja, teuer – aber wenn du viel unterwegs bist, lohnt sich jeder Cent.
Wer nur sonntags an den See rollt, braucht’s vielleicht nicht. Aber für alle, die regelmäßig auf Tour gehen, ist das AeroPack eines der besten Systeme da draußen.
So viel also zu meinem (langen) Review. Falls du wirklich bis hierhin gelesen hast: Glückwunsch, dein Kaffee oder Tee ist jetzt leer – und vielleicht hast du jetzt genauso Lust, das AeroPack selbst mal auszuprobieren.